Neuroblastom: Wissenschafter der St. Anna Kinderkrebsforschung auf dem Weg zu einer exakteren molekularen Diagnose

Bild: Forschungsgruppe Tumorbiologie, unter der Leitung von Doz. Dr. Peter F. Ambros.
Personen: (v.l.n.r.) Maria Berneder, M. Reza Abbasi, Andrea Ziegler, Peter F. Ambros, Tamara Weiss, Ingeborg M. Ambros

 

Die St. Anna Kinderkrebsforschung leitet ein EU-weites Forschungskonsortium, das neue Standards für weiterführende klinische Studien setzen soll. Zentraler Ansatz ist die „Flüssige Biopsie“ zur Bestimmung des individuellen Tumorgenoms.

Das Neuroblastom ist eine der häufigsten Krebserkrankungen des Säuglings- und frühen Kindesalters und für rund 15 Prozent aller pädiatrischen Krebstodesfälle verantwortlich. In den vergangenen Jahren hat sich herauskristallisiert, dass das Neuroblastom durch eine intratumorale Heterogenität (Uneinheitlichkeit) gekennzeichnet ist, die eine genetische Diagnose und daraus abgeleitete Therapien schwierig macht. Das europäische Projekt ONTHETRRAC soll neue Wege zu einer weniger belastenden Diagnostik und Prognoseeinschätzung für aggressive Neuroblastome aufzeigen. Die so gewonnenen Ergebnisse sollen eine individuellere Behandlung der Patienten ermöglichen.

Im Zentrum des Programms steht die „Flüssige Biopsie“, die durch hochsensitive Sequenzierungsverfahren nie da gewesene Einsichten in das Tumorgenom bieten kann. Unter der Leitung des Tumorbiologen Peter Ambros von der St. Anna Kinderkrebsforschung haben sich vier international renommierte Institute – die Charité in Berlin, das Institut Curie in Paris, das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg und das Cancer Research Institute in Gent – in einem Forschungskonsortium zusammengefunden.

Intratumorale Heterogenität auf molekularer Ebene bedeutet Uneinheitlichkeit von z. B. genetischen Mutationen innerhalb eines individuellen Tumors. Die Herausforderung besteht also darin, so viel Information wie möglich über die genetische Zusammensetzung des gesamten Tumors zu gewinnen, ohne dabei invasiv vorgehen zu müssen. Ein Ziel, das durch die Biopsie eines kleinen Tumorareals bisher nicht erreichbar war.

Neueste Methode: „Flüssige Biopsie“ (Liquid Biopsy)

Das Vorliegen von freier Tumorzell-DNA im Blutplasma ist längst bekannt, doch bis vor Kurzem gab es noch keine Methoden, um diese geringen Mengen an zellfreier Tumor-DNA entsprechend zu untersuchen. In den letzten Jahren hat sich mit dem Einsatz von modernen Analysemethoden mehr und mehr abgezeichnet, dass diese freie Tumor-DNA, die mittels „Flüssiger Biopsie“ aus dem Blut oder Knochenmark gewonnen werden kann, einen repräsentativen Querschnitt aller Genomveränderungen des Tumors darstellt. Der zentrale Ansatz des Projekts besteht nun darin, den Einsatz der „Flüssigen Biopsie“ für das Neuroblastom zu evaluieren. Bis 2018 soll laut Ambros diese hochsensitive diagnostische Methode in der klinischen Praxis angewendet werden.

Konkret soll das Forschungsprogramm methodische Standards für den Einsatz in klinischen Studien definieren. Das heißt, aus dem zellfreien Blut- oder Knochenmarksplasma sollen in einem großen Patientenkollektiv alle Genomveränderungen der Tumoren mittels verschiedener Techniken identifiziert werden. Dies hat eine große Bedeutung für den Nachweis der Tumoraggressivität und Rückfallgefahr. „Für die pädiatrische Krebsforschung ist unser Projekt jedoch ein Novum“, erklärt Ambros.

Ambros zeigt sich begeistert von den Möglichkeiten: „Aus einem Milliliter Plasma lässt sich das gesamte Genom des Tumors identifizieren. Außerdem benötigen wir nur Restmaterial von jenem Blut, das ohnedies für die Routineblutbilder der kleinen Patienten abgenommen wird.“ Künftig soll diese Technik auch für ein Verlaufsmonitoring der Erkrankung eingesetzt werden. Dieses ermöglicht die Früherkennung von Rückfällen, noch bevor sie klinisch manifest werden.

Ziele des Projekts sind verbesserte molekulare Diagnosen und auf die spezifischen Schwachstellen des jeweiligen Neuroblastoms ausgerichtete Therapien.

 

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